Es war ein regnerischer Tag im August, ein Tag wie jeder andere für Mohamed Conteh, 42. Er fuhr Passagiere in einem Poda Poda, einem Kleinbus, von Freetown in seine Heimatstadt Makeni, als sich der neben ihm sitzende Mann plötzlich übergab. Ein Großteil seines Erbrochenen landete auf Mohamed.
Erst vor Kurzem hatte es die ersten Fälle von Ebola in seiner Region gegeben. Mohamed wusste, dass die Krankheit sich über Körperflüssigkeiten überträgt und dass, wenn sein Passagier an Ebola litt, es nicht unwahrscheinlich war, dass er sich angesteckt hatte. Er hielt sein Fahrzeug an, reinigte sich und rief die Notfallnummer an, damit der kranke Mann abgeholt würde. Nachdem er seine Fahrt beendet hatte, reinigte er den Kleinbus und brachte ihn seinem Besitzer zurück. „Ich wollte meine Frau und meine drei Kinder nicht in Gefahr bringen. Deshalb habe ich meine Frau angerufen und ihr gesagt, dass ich nicht nach Hause zurückkehren würde, bevor ich wüsste, ob ich Ebola habe oder nicht.“
Die nächsten Tage überwachte er sich selbst, horchte auf die Stimme seines Körpers. Als seine Körpertemperatur innerhalb weniger Stunden stark anstieg, als er Gliederschmerzen verspürte und sich übergeben musste, begab er sich zum nächsten Krankenhaus, um sein Blut auf Ebola testen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Sierra Leone nur ein Labor in Kailahun, 200 Meilen von Makeni entfernt, mit schlechten, teilweise unpassierbaren Straßen vor allem während der Regenzeit, das Ebolatests durchführen konnte. Er zeigt auf zwei aufgedunsene Narben auf seiner rechten Hand, zwei Erinnerungen an die vielen Blutabnahmen, die bei ihm gemacht wurden. Das Ãœbergangszentrum in Makeni entnahm ihm Blut, schickte es nach Kailahun, erhielt aber nie verwertbare Ergebnisse.
Nach 19 Tagen im Ãœbergangszentrum wurde entschieden, dass er und sechs weitere Patienten in eins der beiden Ebola-Behandlunsgzentrum Sierra Leones, nach Kailahun geschickt werden sollten. „Wir haben Makeni um 7 Uhr morgens verlassen und kamen am nächsten Tag um 17 Uhr in Kailahun an.“ Die Reise war lang und strapaziös, Mohamed und die anderen Patienten litten unter starken Schmerzen. „Jede Unebenheit, jedes Schlagloch tat unglaublich weh. Dann starb auf einmal einer nach dem anderen neben mir. Als der erste starb, hatte ich noch Angst, dass mein Ende auch bald kommen würde, doch dann konzentrierte ich mich einzig und allein darauf, zu beten, wach und stark zu bleiben.“ Als sie in Kailahun ankamen, lebte nur noch Mohamed. Völlig erschöpft und mit schmerzversteiften Gliedern wurde er ins Behandlungszentrum getragen, wo er die nächsten drei Wochen verbrachte und sich langsam erholte.
„Ich war einer der wenigen Glücklichen und ich bin sehr dankbar, dass ich meine Frau und meine Kinder in diesem Leben noch einmal wiedersehen durfte“, sagt er mit einem breiten Lächeln. Seine Freude wurde jedoch schnell von der Wirklichkeit eingeholt. Er hatte vor Kurzem ein Grundstück gekauft und baute dort, während der Bauzeit lebte er mit seiner Familie in einem gemieteten Haus. „Nur noch das Dach fehlte und ich hatte alle Materialien dafür schon gekauft. Als ich zu unserem Mietshaus zurückkehrte, hatte der Vermieter meine Frau und meine Kinder rausgeworfen. Er hatte Angst, ich würde Ebola in sein Haus bringen.“ Auf seinem eigenen Grund war nichts mehr als ein Haufen Asche, Unbekannte hatten alles samt der Materialien für das Dach niedergebrannt. Sein Chef, der Besitzer des Kleinbusses, teilte ihm mit, dass seine frühere Position bereits von jemand anderen besetzt worden war. Obdachlos, arbeitslos und immer noch von der Krankheit geschwächt – so begann Mohamed den Start in sein zweites Leben. „Meine Frau hatte nie Angst vor mir, sie hat mich nicht zurückgewiesen. Das hat mich getröstet und mir Hoffnung gegeben.
Eine befreundete Familie räumte ein Zimmer für sie, sodass sie zumindest ein Dach über dem Kopf hatten. Von einem Nachbar hörte er, dass die NGO World Hope Fahrer für ihre Krankenwagen suchte. Er kann weder lesen noch schreiben, deshalb stellte er sich direkt persönlich vor – und bekam den Job. „Seit November arbeite ich nun für World Hope und bringe genesene Patienten vom Behandlungszentrum wieder zurück in ihr Zuhause. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das Leben nicht einfacher wird nach der Entlassung. Neben dem Fahren sehe ich es als meine Aufgabe, andere Ãœberlebende zu ermutigen, nicht aufzugeben und ich versuche, ihnen Hoffnung zu vermitteln, dass die Zukunft vor ihnen liegt. Sieh mich an, ich hatte nichts mehr, nun habe ich einen guten Job und ich kann sogar dieses schreckliche Erlebnis nutzen, um anderen zu helfen.
Leider starb sein Schwager vor einigen Wochen und hinterließ seine Schwester und sechs Kinder. Mohamed und seine Frau nahmen drei der Kinder auf, da seine Schwester nun ohne Einkommen ist und es keinerlei staatliche Unterstützung für sie gibt. „Das hat es für uns natürlich nicht einfacher gemacht, aber wir beten und hoffen, dass eine gute Zukunft für uns und unsere Kinder vor uns liegt.“
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